Palmen und ein mint-grüner Elektroroller in Barcelona
© YEGO Barcelona

Schwerelos durch Barcelona

Schwerelos durch Barcelona mit einem E-Roller, der mir nicht gehört. Ein Vergnügen ohne lokalen CO²-Ausstoß in der Hauptstadt Kataloniens.

Nervöse Blicke mustern das rote Ampellicht. Die Motoren der Roller stottern im Takt vor sich hin. Mit dem Vorderreifen auf der weißen Straßenmarkierung warten wir auf das grüne Licht. Neben mir zieht ein dunkelhaariger Vespa-Fahrer ungeduldig am Gasgriff und macht einen Satz nach vorne. Seine Pilotenbrille sitzt schief im Gesicht und der Gurt an seinem Helm ist offen. Er kneift die Augen zusammen und fixiert die Ampel. Lautes Getöse bricht los. Reifen quietschen und Motoren heulen auf. Wie ein wild gewordener Bienenschwarm schwirrt die Zweiradkolonne los und ich bin mittendrin.

Blick auf den Tacho eines mint-grünen E-Rollers
Im Stand ist der Roller lautlos. © Felix Strohbach

Mit maximaler Beschleunigung schlängle ich mich an den anderen vorbei, breche aus der Kolonne aus und biege rechts ab. Das Summen der Motoren hinter mir wird leiser. Ich sitze auf einem mintgrünen Elektroroller und spüre den lauwarmen Fahrtwind auf meinen Wangen. Elektroroller gehören mittlerweile zum Stadtbild von Barcelona wie die Touristen aus aller Welt oder die Bauwerke von Antoni Gaudi.

Mintgrüne E-Roller

Der Sharing-Dienst YEGO Barcelona hat für seine Mitglieder 700 mintgrüne Elektroroller in der ganzen Stadt verteilt. Für die Registrierung als Mitglied musste ich eine Zahlungsart angeben und Fotos von Führerschein und Personalausweis hochladen.

Schon wenige Monate nach der Firmengründung 2016 hatten sich über 5.000 Mitglieder bei YEGO Barcelona registriert. Tim Ougeot ist 34 Jahre alt und neben Yann Sander und Benjamin Viguier einer der drei Gründer. Er erzählt mir, wie vor vier Jahren alles angefangen hat: „Wir hatten eine erste Version der App entwickelt und drei Roller. Da waren wir wirklich noch ganz am Anfang.“ Er lacht.

Smartphone mit der E-Roller-Sharing-App
Über die App lassen sich die Roller reservieren. © YEGO Barcelona

Motor starten via App

Über die App lasse ich mir den nächst gelegenen Roller anzeigen und reserviere ihn. Meistens steht der Roller um die nächste Ecke und ich kann ihn locker in weniger als 15 Minuten erreichen. Am Roller angekommen kann ich den hinten befestigten Koffer über die App entriegeln und zwei Helme herausnehmen. Sobald ich den Roller in Position gebracht habe, starte ich den Motor über die App, ziehe am Griff und rolle los.

Als ich aus der Kurve heraus beschleunige und auf den Passeig de Gràcia biege, bin ich plötzlich wieder 16. Das Kribbeln im Bauch und der Fahrtwind geben mir das selbe Gefühl der Unabhängigkeit, das ich spürte als ich mit 16 zum ersten Mal auf meinem eigenen Roller saß. Im Unterschied zu dem Elektroroller von YEGO, hat mich mein Roller viel Geld gekostet, er war deutlich lauter und ich konnte ihn nicht einfach irgendwo stehen lassen. (Mehr zu meinen Erfahrungen mit meinem eigenen Roller findet Ihr in diesem Artikel: Endlich unabhängig)

Freiheit statt Besitz

„Unabhängigkeit und Freiheit waren mir immer sehr wichtig.“, sagt mir YEGO-Gründer Tim Ougeot. „Ich komme aus einer sehr kleinen Stadt in Frankreich, in der du immer ein Auto brauchst egal, was du machen willst. Die öffentlichen Verkehrsmittel waren sehr schlecht und es gab auch keinen Nachtbus. Der Führerschein war für mich endlich der Zugang zum richtigen Leben.“

Tim zog nach München, um bei den großen deutschen Autofirmen zu arbeiten. Er merkte schnell, dass ein Auto in der Stadt sehr störend sein kann. „Nach zwei Monaten habe ich mein eigenes Auto verkauft. Es hat einfach keinen Sinn mehr gemacht die Versicherung und alles zu zahlen.“ Stattdessen begann er Carsharing zu nutzen. Doch auch mit diesen Autos war es oft sehr schwierig einen Parkplatz zu finden. Teilweise musste Tim mehrere Runden um den Block drehen, bis er fündig wurde. Mit einem Roller sieht es da schon besser aus.

Mint-grüner Elektroroller vor Graffiti-Wand
Bis 2018 hieß das Unternehmen noch YUGO Barcelona. © YEGO Barcelona

Ich rolle leise in eine kleine Seitenstraße hinein. Carrer del Mar steht auf dem blauen Täfelchen an der Hausecke. Es ist angenehm kühl im Schatten der Häuser. Auf den Balkonen hängen frisch gewaschene Hosen und Hemden. Es riecht nach Lavendel und Salzwasser. Ich parke den Roller vor einer bunt bemalten Hauswand. Nachdem ich den Roller aufgebockt habe, verstaue ich die Helme im Koffer und beende die Fahrt über mein Handy.

Akkuladen ist inklusive

Um das Laden der Akkus kümmern sich die Mitarbeiter von YEGO Barcelona. Mit einer Akkuladung kommt der Roller mindestens 50 Kilometer weit, in der Stadt ist das vollkommen ausreichend. Vom Placa de Catalunya im Zentrum von Barcelona bis zum Strand brauche ich je nach Verkehrslage circa eine viertel Stunde. Mit der Metro dauert es etwa 20 Minuten. Allerdings muss ich dann noch ein Stück laufen bis ich Sand unter meinen Füßen spüre. Zu zweit lohnt sich der mintgrüne Elektroroller sogar preislich. Pro Minute kostet der Roller maximal 25 Cent. Dank des leisen Elektromotors kann ich mich während der Fahrt mit meinem Mitfahrer oder meiner Mitfahrerin unterhalten.

Das Konzept von YEGO Barcelona scheint aufzugehen. Auch in Valencia und Bordeaux gibt es bereits die YEGO-Elektroroller. Am Anfang hatten die drei Gründer Angst, dass Roller geklaut oder beschädigt werden könnten. Bis auf ein paar Helme und den ein oder anderen Koffer, wurde bis jetzt aber nichts geklaut. Jeder Roller kann permanent über GPS geortet werden und ohne die passende Ladestation für die Akkus kommt ein Dieb nicht sehr weit. Die Versicherung übernimmt Unfallschäden und auch die halten sich bisher in Grenzen.

Parkende Roller und Palmen in Barcelona.
Die mintfarbenen Elektroroller fallen überall auf. © YEGO Barcelona

Probleme mit falschen Parkplätzen

Das einzige Problem, das Tim und seine Team noch nicht lösen konnten, ist das „Falschparken“. Immer wieder parken Nutzer die Roller in verbotenen Bereichen, so wie ich. Ich war etwas unter Zeitdruck und habe den Roller einfach neben einem anderen Roller auf dem Gehweg abgestellt. Die Einheimischen werden es schon wissen, habe ich mir gedacht.

Die Stadt Barcelona sammelt diese Roller ein und lässt sie gegen ein Bußgeld auslösen. Mehrere Wochen nach meinem Aufenthalt in Barcelona habe ich deshalb eine E-Mail bekommen mit einer Rechnung von fast 90 Euro.

Weil das relativ oft vorkommt, versucht Tim eine andere Lösung mit der Stadt zu finden. „Zum Beispiel über eine Art Notruf, indem die Stadt uns sagt: Hey hier ist ein Roller falsch geparkt, bitte entfernt ihn dort in den nächsten dreißig Minuten.“

Als kleine Entschädigung für meine selbst verschuldeten Zusatzkosten hat mir YEGO Barcelona 60 Freiminuten geschenkt. Eine nette Geste. Leider komme ich nicht so schnell wieder nach Barcelona. Bei meinem nächsten Aufenthalt werde ich auf jeden Fall wieder YEGO fahren und ich werde in aller Ruhe einen schönen Parkplatz suchen, selbst wenn ich dafür 60 Minuten herumfahren muss.

Blick über Barcelona und das Meer.
Barcelona ist die am zweitdichtesten besiedelte Millionenstadt Europas. © Felix Strohbach

Elektroroller in Deutschland

Ihr müsst nicht erst nach Barcelona fahren, um mit einem Elektroroller durch die Stadt zu cruisen. Auch in Deutschland und Österreich gibt es Elektroroller-Sharing.

In Berlin, Hamburg, München, Wien und Düsseldorf stehen die orangen Elektroroller von emmy bereit. In Stuttgart gibt es die blauen Elektroroller von Stella.

Share on facebook
Share on twitter
Share on email
Share on telegram
Share on whatsapp
Kabinenroller Carver an einer Blumenwiese mit roten Tulpen
Im Alltag
Felix J. Strohbach

Twizy Alternative: Elektrischer Kabinenroller Carver im Test

Ohne Helm in die Kurve legen und vor Regen geschützt bleiben. Schon auf den ersten Blick wird klar, dieser dreirädrige Kabinenroller ist außergewöhnlich. Könnte der Carver electric eine Twizy Alternative sein? Wir haben es getestet.

temporärer Fahrradstreifen mit gelber Markierung
Im Alltag
Till Steinmeier

Schneller und günstiger: Pop-up Radwege für die Verkehrswende in der Stadt

Hermannplatz, Kotti und Berufsverkehr. Schon beim Gedanken an diese drei Worte schüttet mein Körper Stresshormone aus. Dabei ginge es auch anders, das haben spätestens die temporären Radwege während der Corona-Pandemie bewiesen. Auf dem Weg zur Verkehrswende in der Stadt können wir Geld und Zeit sparen.

Blick aufs Meer aus dem Zug
Im Urlaub
Petra Daisenberger

Übernacht von den Bergen ans Meer

Einmal mit dem Nachtzug von Oberbayern nach Sylt und zurück. Was bis vor wenigen Wochen keine großartige Sache zu sein schien, hat sich durch die Covid19 Pandemie deutlich verändert. Und dann doch nicht so sehr.

Abends auf der deutschen Autobahn
Im Alltag
Felix J. Strohbach

Das Land der Rasenden – Tempolimit Deutschland

Mit dem Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen ist es ein bisschen so wie mit den Waffen in den USA. Jeder weiß, dass es gefährlich ist, nehmen lassen möchte sich diese gefühlte Freiheit trotzdem niemand. Oder doch?

Schirme am Mittelmeer
Im Urlaub
Richard Kaufmann

Urlaub ohne Flieger

Fliegen ist schlecht, das hört man mittlerweile überall. Nur, Hand aufs Herz: Wozu leben wir auf der Welt, wenn wir sie uns nicht ansehen! Hier sind eine Handvoll Anregungen für einen ganz normalen Urlaub ohne Flieger.