Polternde Motoren und qualmende Auspuffrohre. Die Ampel springt auf “Grün”. Sofort hupt der SUV-Fahrer den Kleinwagen vor sich zusammen. Die Frau hinterm Lenkrad zuckt zusammen. Sie wollte gerade das Smartphone weglegen und weiterfahren, doch jetzt zieht ein Rollerfahrer mit ohrenbetäubendem Knattern an ihr vorbei und schneidet ihr den Weg ab. Gleichzeitig bahnt sich eine Radfahrerin mit zusammengekniffenen Augen und verkrampften Händen ihren Weg durch das Chaos. Seit Jahrzehnten dominiert dieses Bild den Nachmittagsverkehr am Kottbusser Damm. Schon beim Gedanken daran schüttet mein Körper Stresshormone aus. Dabei ginge es auch anders, das haben spätestens die Pop-up Radwege während der Corona-Pandemie bewiesen. Die Verkehrswende in der Stadt kann schneller und günstiger gehen.

Pop-up Radwege:
Eine globale Bewegung
Nicht nur hier am Kottbusser Damm hat sich während der Corona-Pandemie einiges für den Radverkehr getan. 27 Kilometer Pop-up Radwege sind allein in der Stadt Berlin bis September 2020 entstanden (Wo genau seht ihr hier: infravelo.de). Diese schnelle und günstige Form der Verkehrswende in der Stadt ging um die Welt. Die Liste der Städte, die Pop-Up-Radwege eingeführt haben, ist lang: Bogotá, London, Lissabon, Mailand, Sydney, Wien, Berlin. Insgesamt haben mindestens 106 Städte alleine in Europa durchschnittlich 11,5 Kilometer temporäre Radwege gebaut.

Verkehrswende in der Stadt: Günstiger und schneller durch Pop-up Radwege
Die Idee der Pop-up-Radwege ist nicht neu. Neu ist aber, dass sie von Verwaltungen und Regierungen offiziell angewendet werden, um den Verkehr umzugestalten. Dauerte die Umsetzung von Radwegen in Berlin beispielsweise bisher zwei bis zehn Jahre, konnte das Verfahren durch Pop-up-Radwege auf drei bis zehn Tage verkürzt werden. Diese Form der Verkehrswende ist nicht nur schneller, sondern auch günstiger (Quellen: rp-online.de, berlin.de).
Die Zahlen sprechen für sich, aber Stadtplanung ist komplex und es sind viele AkteurInnen beteiligt. Der Radverkehr ist dabei oft ein Streitthema, obwohl er in Städten essenzieller Bestandteil einer Verkehrswende sein muss. 2021 hat das Verkehrsministerium Förderungen von 660 Millionen Euro für Städte und Kommunen ausgegeben, womit sichere Radwege und Kreuzungen, Brücken und moderne Stellplätze für Fahrräder geschaffen werden sollen. Die Förderung gilt nur für bis Ende 2023 fertiggestellte Projekte (Quelle: zeit.de). Lange Planungs- und Umsetzungsdauern sind ein Problem und es mangelt an qualifizierten RadverkehrsplanerInnen.
Umso erstaunlicher, dass während der Corona-Pandemie plötzlich schnell und günstig Radwege entstehen und das weltweit. Die Verkehrswende war plötzlich so greifbar. Warum wurden Pop-up-Radwege nicht schon früher genutzt?

Corona als Fensteröffner

Politische Hürden bei der schnellen Verkehrswende
Fazit Pop-up-Radwege: Schnell, günstig, legal und gesund
Pop-up-Radwege sind ein effektives Instrument der Verkehrswende, das zeigen die Zahlen: 20 Prozent mehr Radverkehr in Berlin im Vergleich zu 2019 (Quelle: rbb24.de). Eine Studie des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change geht sogar davon aus, dass Pop-up-Radwege einen Anstieg des Radverkehrs um bis zu 48 Prozent möglich machten (Quelle: ecf.com). Auch die Gesundheitssysteme könnten von den Pop-up-Radwegen profitieren. Durch den vermehrten Radverkehr und die damit verbundene körperliche Betätigung der Bevölkerung, könnten zwischen einer und sieben Milliarden Dollar an Kosten jährlich eingespart werden. (Mehr dazu: Grüne Wege – Auf dem Fahrrad durch Berlin)
Hier sieht man den unterschiedlich schnellen Ausbau der Pop-Up-Radwege in den Städten dieser Welt (in Kilometern):
Und am Kottbusser Damm? Alle sind entspannter und kommen in den Genuss, weniger Schadstoffe zu inhalieren. Alleine die Trennung der Fahrspuren hat einen so positiven Effekt, dass das IASS (Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung) 22 Prozent weniger Stickstoffdioxid (NO2) feststellte. Pop-up-Radwege haben uns gezeigt, dass die Verkehrswende in der Stadt weder teuer sein noch lange dauern muss. Auf was warten wir also? An die Pylonen, fertig, los.