Das Elektrische Leichtfahrzeug Renault Twizy hinter unscharfen Blättern.
© Felix Strohbach

Think smaller: 7 Jahre mit dem Twizy

Scherentüren und Kulleraugen. Seit sieben Jahren Fährt Petra ihren Renault Twizy. Das kleine Elektrofahrzeug hat keine Fenster und erregt viel Aufmerksamkeit.

„Wenn ich in der Früh an der Schule vorbei fahre, lächeln mich die Schüler an und winken mir zu.“ Petra fährt seit 30 Jahren Auto, seit sieben Jahren fühlt sie sich dabei wie eine lokale Berühmtheit. Wenn Sie zu ihrem Fahrzeug zurück kommt, stehen fast immer Leute darum versammelt.

Sie begutachten den Innenraum und fragen ob sie damit denn zufrieden sei. Lächelnd erklärt sie dann: „Ich bin nicht zufrieden, ich liebe den Twizy“. Mit einem Handgriff klappt sie eine der Scherentüren nach vorne und schwingt sich in den Schalensitz. Musik an, Handbremse lösen und Abfahrt.

Blick über die Schulter auf den Tacho des Renault Twizy
Der Twizy schafft maximal 83 km/h. © Felix Strohbach

Weg vom Verbrenner

Petra gehört zu der Mehrheit von 95 Prozent der deutschen Pendler, die laut Mikrozensus weniger als 50 Kilometer zu ihrem Arbeitsplatz fahren. Eine Distanz, die der Twizy ohne Probleme schafft. Trotzdem ist sie mit ihrem elektrischen Zweisitzer eine Seltenheit.

Ein Jahr Bedenkzeit hat sie sich selbst gegeben, bevor sie von ihrem alten Benziner auf den Twizy umgestiegen ist. Offene Fenster, keine Sitzheizung und wenig Platz. „Ich verzichte natürlich ein wenig auf Komfort, aber spätestens wenn ich an der Ampel wieder mal einen Porsche abziehe, hab ich das vergessen.“

Der Twizy erinnert sie mit seinen runden Scheinwerfern an den alten VW Käfer, den sie als junge Erwachsene hatte. Think small. So wurde in den 60ern der Käfer in den USA beworben. Als ein Auto, das wenig Platz braucht und genau dafür steht der Twizy heute. Im Unterschied zum Käfer fährt der Twizy elektrisch. Für Petra bedeutet das Fahrspaß ohne schlechtem Gewissen: „Ich würde nie behaupten ökologisch zu fahren, aber immerhin fahre ich abgasfrei.“

Frau mit Ladekabel des Renault Twizy
Im besten Fall kann Petra ihren Twizy mit selbst erzeugtem Strom laden. © Felix Strohbach

Ausprobieren und machen

Petra möchte nicht auf Veränderung warten, sondern ein Teil davon sein. Seit sie Twizy fährt, ist sie automatisch auch Botschafterin für Elektromobiltät. Sie zeigt, dass es bereits funktioniert, trotz fehlender Ladesäulen und niedrigen Temperaturen.

Letztes Jahr ist sie auf dem Weg zur Skipiste eine Stunde lang im Stau gestanden. Da hat auch eine warme Decke nicht mehr viel geholfen. „Der Fahrer hinter mir hat mir angeboten, dass ich mich zu ihm ins warme Auto setzen kann bis der Stau sich löst. Ich habe dankend abgelehnt.“

Abgesehen von diesem Einzelfall, ist es für Petra im Winter kein Problem mit offenen Fenstern zu fahren. In einem geschlossenen Auto müsste sie die Winterjacke ausziehen, im Twizy nicht. Länger als eine halbe Stunde am Stück fährt sie meistens eh nicht.

Renault Twizy mit Ladekabel vor Holzhaus.
Meistens wird der Twizy zu Hause an der Steckdose geladen. © Felix Strohbach

Fahren bis zum Stillstand

Wenn die Reichweite unter acht Kilometer fällt, fängt der Twizy an zu piepen. Auf den letzten Kilometern drosselt er sich auf 30 kmh. Das ist bei Petra schon dreimal vorgekommen. „Ich habe es aber auch provoziert.“ Einmal durfte sie dann bei einer Pizzeria an die Steckdose.

Im Notfall ruft sie ihren Lebenspartner an, der sie dann mit seinem Auto nach Hause ziehen kann. In solchen Fällen könnte sie auch den Service von Renault anrufen. Im Alltag passiert ihr das nicht. Sie kennt ihre Strecken und weiß wo sie aufladen kann. Im ersten halben Jahr war das ein Umstellung. „Ich musste einfach ein bisschen besser planen und organisieren wo ich wann hinfahre.“

Alles was rein passt

Einkaufstaschen, Ski-Equipment, die eigenen Kinder oder der Hund. Petra transportiert in ihrem Twizy alles, was sie in die Seiten und auf dem Rücksitz stapeln kann. Sie fährt bei jedem Wetter und sie beschleunigt gerne, sobald die Ampel grün wird. Der Twizy ist für sie ein Gebrauchsgegenstand, der sich ihren alltäglichen Bedürfnissen anpassen muss.

Königspudel auf dem Rücksitz des Renault Twizy.
Hinter dem Fahrersitz hat eine weitere Person platz oder ein Hund.(R.I.P. Pudel Puck) © Felix Strohbach

31.882 Kilometer hat Petra mit ihrem Twizy bereits zurückgelegt. Das die Reichweite nach sechs Jahren etwas abnimmt, damit hat sie gerechnet. „Es ist normal, dass man bei einer Investition in eine neue Technologie, an der Entwicklung mehr oder weniger beteiligt ist.“ Im Alltag schafft ihr Twizy noch knapp 60 Kilometer. Wenn die Leistung weiterhin abnimmt, wird sie den Akku tauschen lassen. Im Sinne der Umwelt möchte sie solange wie möglich damit fahren, denn ein neuer Akku kostet wertvolle Ressourcen. „Dann muss ich den Twizy halt etwas öfter an die Steckdose hängen.“

Batterie- und Ladekosten

Meistens lädt sie den Twizy über Nacht an einer normalen Steckdose an der eigenen Garage. Eine volle Akkuladung kostet sie zwischen 1,50 und 2 Euro und dauert etwa drei Stunden. Dazu kommen die monatliche Batteriemiete von 54 Euro und der jährliche Versicherungsbeitrag von 174 Euro. Die Steuer entfällt. Ein Auto mit Verbrennungsmotor kostet mehr: Deshalb besitze ich kein Auto mehr.

In der Batteriemiete sind ein Abschleppservice und ein Ersatzfahrzeug enthalten. Bis auf kleinere Verschleißteile wurden bisher nur die Bremsen erneuert. Viele Ersatzteile für den Twizy haben Sondermaße und werden nicht in großen Massen produziert, deshalb können sie vergleichsweise teuer sein. Wartungsgebühren für Ölwechsel, Luftfilter und Abgasanlage fallen dafür weg. Um sich einen Satz Reifen zu sparen, fährt Petra ganzjährig auf Winterreifen.

Frau im fahrenden Renault Twizy
Durch die offenen Fenster bekommt Petra während der Fahrt viel von ihrer Umgebung mit. © Felix Strohbach

Cabrio-Feeling im Sommer

Von beiden Seiten weht ein lauer Wind in die Fahrzeugkabine. Vogelgezwitscher und Blätterrauschen werden nicht durch einen dröhnenden Motor übertönt oder durch eine geschlossene Fahrerkabine abgeschirmt. Weidende Tiere am Straßenrand fressen unbeirrt weiter und das Ziel der Fahrt ist wieder die Fahrt selbst.

Dank des tiefen Schwerpunkts, liegt der Twizy mit einer halben Tonne Leergewicht knackig auf der Straße. Die Hinterräder treiben ihn wie ein Go-Kart um die Kurve. Der Blick liegt auf der Straße und beide Hände sind am Lenkrad. Keine Lüftungen, die eingestellt werden müssen. Keine Knöpfe, die gedrückt werden wollen. Kein Bildschirm der um Aufmerksamkeit blinkt. Der Twizy ist auf das Wesentliche reduziert, das Fahren.

Fahrender Renault Twizy
Die nächsten fünf Jahre möchte Petra weiterhin Twizy fahren. © Felix Strohbach

Think smaller

Jedes Jahr werden es mehr Fahrzeuge auf den deutschen Straßen, jeden Monat kommt ein neuer SUV auf den Markt und jeden Tag suchen wir nach einem Parkplatz. Der Twizy ist nicht nur ein Botschafter für Elektromobilität, sondern auch ein Statement für Genügsamkeit und Selbstreflexion. Wie viel Komfort brauche ich wirklich, wie weit muss ich tatsächlich fahren und wie viel Platz nehme ich dabei ein? Wenn jeder von uns weniger braucht, haben wir am Ende alle mehr.

Neu kostet der Twizy ab 7.000 Euro, gebraucht gibt es Angebote für unter 4.000 Euro. Der Twizy ist ein elektrisches Leichtfahrzeug. Zum Potenzial dieser Fahrzeugklasse hat das Land Baden-Württemberg diese Studie veröffentlicht.

Leider werden elektrische Leichtfahrzeuge nicht staatlich gefördert, der neue Umweltbonus in Deutschland gilt nur für deutlich schwerere und größere Fahrzeuge. Mehr dazu habe ich bei GQ Germany geschrieben: Der neue Umweltbonus für E-Autos: Warum mehr Geld trotzdem viel zu wenig ist.

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