Elektrisches Motorrad vor Berglandschaft
© Felix Strohbach

Ein Recht auf Lärm?

Vorbeirauschende LKW oder der Rasenmäher im Nachbargarten sind laut. Motorräder sind häufig noch deutlich lauter und der Bundesrat möchte das ändern. In mehreren deutschen Städten demonstrieren deshalb Tausende MotorradfahrerInnen für ein Recht auf Lärm und für ein lautes Hobby, das auch leise sein könnte.

Grillen zirpen im hohen Gras und eine frische Brise wiegt die Halme hin und her. Durch die hügelige Landschaft schlängelt sich ein Streifen aus Asphalt. Am Straßenrand weiden Kühe auf den Feldern und die Sonne klettern gemächlich in den Zenit. Plötzlich ein Knattern in der Ferne. Motoren heulen auf und eine Kolonne kreischender Zylinder nähert sich dem Idyll. Mit 11.000 Umdrehungen pro Minute und Geschwindigkeiten jenseits der 100 km/h brettert eine Gruppe MotorradfahrerInnen über die Bundesstraße. Für die einen ist es ein Hobby, für die anderen ohrenbetäubender Lärm.

Auf Kosten aller anderen

Motorradfahren bedeutet fast immer Freizeitspaß auf Kosten anderer. Nicht nur der Lärm, sondern auch die Schadstoffe belasten uns alle. Um die negativen Folgen des Motorradfahrens einzudämmen, hat der Bundesrat Mitte Mai ein Maßnahmenpaket vorgeschlagen. Dazu gehören strengere Lärm-Grenzwerte, schärfere Strafen für Motor-Manipulationen und Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen. Die Entscheidungshoheit für die Umsetzung dieser Maßnahmen liegt jetzt beim deutschen Verkehrsminister. Während Andreas Scheuer Fahrverbote ablehnt und in Düsseldorf tausende BikerInnen für ein Recht auf Lärm demonstrieren, wächst die Auswahl an leisen Alternativen.

„Ich habe immer gesagt, wenn die Elektromotorräder kommen, höre ich auf. Bis ich dann selbst mal auf einem gesessen habe.“, sagt Jürgen Schnaller, der seit Jahrzehnten Triumph Motorräder fährt und verkauft. Seit letztem Jahr haben sich zwischen die verchromten Abgasanlagen in seinem Laden ein paar elektrische Modelle eingeschlichen. Mit seinem kleinsten Bike, der Super Soco TSx, bin ich ein Wochenende lang durch das Inntal gekurvt, gehört hat mich dabei niemand.

Motor starten und bergauf

Mit dem Funkschlüssel aktiviere ich die Super Soco TSx. Der Ring um den Power-Knopf pulsiert in rotem Licht. Als ich mit dem Daumen den Knopf eindrücke, ertönt eine Melodie, die mich stark an einen alten Microsoft-Computer erinnert. Gleichzeitig leuchtet das LCD-Display auf. Ich klappe den Seitenständer nach hinten und schwinge mich auf das schmale Sitzpolster. Mit dem roten Knopf am rechten Griff deaktiviere ich den Park-Modus. Als ich den Lenker gerade ziehe, knirschen Kieselsteine unter dem Vorderreifen. Das LCD-Display zeigt 91 Prozent Akkuladung und am unteren Rand leuchtet in kleinen grünen Buchstaben das Wort „ready“.

Lenker des E-Motorrads
Beim Starten ertönt eine Melodie, sonst bleibt es leise. © Felix Strohbach

Rasante Abfahrt

Mein Nacken verkrampft. Etwas übermütig habe ich am Griff gedreht und den Moment verpasst, der den Unterschied zwischen sachtem Anfahren und voller Beschleunigung ausmacht. Es ist fast unmöglich sanft zu starten, weil die Beschleunigung so überraschend einsetzt. Nach den ersten Metern lässt die Beschleunigung deutlich nach und etwa zehn Sekunden später bin ich auf 45 km/h. Mit dem Führerschein der Klasse M wäre hier Schluss, für die entdrosselte Super Soco TSx nicht.

Den Griff weiter bis zum Anschlag zurückgedreht, klettert die Geschwindigkeit im Sport-Modus über 60 km/h hinaus. Vor mir schlängelt sich die Straße den Berg hinauf. Als ich am Straßenschild „11 Prozent Steigung“ vorbei fahre, zeigt der Tacho noch knapp 40 km/h. Mit jedem Meter werde ich langsamer, bis bei 29 km/h die Straße wieder flacher wird. Der Akku hat innerhalb einer Minute mehrere Prozent verloren. Zum Glück geht es jetzt wieder bergab.

Hinterrad des E-Motorrads
Im Hinterrad sitzt der 3.000 Watt Motor. © Felix Strohbach

Ungebremst ins Tal

Mit den großen 17-Zoll-Reifen fühle ich mich auch bei höheren Geschwindigkeiten wohl. Doch spätestens als ich mich mit über 70 km/h in die Kurve lege, werde ich nervös. Die Super Soco TSx gleitet ungebremst ins Tal, rekuperieren und Energie zurück gewinnen kann sie nicht. Die erste elektrische Vespa kann das schon. (Mehr zur Vespa Elettrica) Ich muss bremsen, um die Kontrolle zu behalten. Die Energie verpufft an den Bremsscheiben und zum ersten Mal höre ich ein Geräusch, das vom Motorrad ausgeht. Vor der nächsten Kurve bremse ich stark ab, am Scheitelpunkt lasse ich den 3.000 Watt Elektromotor wieder laufen. Bei dieser Fahrdynamik vergesse ich schnell, dass ich offiziell auf einem Elektroroller sitze.

Nach 40 Kilometern Berg- und Talfahrten fällt der Akkustand unter 20 Prozent und das Akku-Symbol fängt an zu blinken. Automatisch wechselt die Super Soco in den Eco-Modus. Die Beschleunigung ist jetzt moderater und ich komme auf der Geraden nicht mehr über 45 km/h hinaus. Innerhalb der Stadt macht das kaum einen Unterschied. Immer noch lasse ich beim Ampelstart jeden SUV hinter mir stehen, ohne die Katze am Straßenrand zu verjagen.

Mann mit roter Lederjacke fährt auf dem E-Motorrad vorbei.
In der Stadt reicht der Eco-Modus vollkommen aus. © Felix Strohbach

Pause und Akkuladen

Als der Akkustand unter zehn Prozent fällt, werde ich langsamer. Gedrosselt auf 25 km/h schleiche ich noch ein paar Runden um den Block. Nach 54 Kilometern stelle ich die Super Soco TSx mit vier Prozent Akkuladung vor dem Haus ab. Mit dem Schlüssel entriegele ich das Akkufach, das Schloss dafür versteckt sich seitlich unterhalb des Sitzes. Mit einem Klick springt das Fach auf. Über dem Akku ist ein weiteres herausnehmbares Ablagefach für das Ladegerät, den Geldbeutel oder das Handy.

Darunter passen zwei Akkus mit jeweils 60 Volt und 30 Ah. Bei mir ist nur ein Akku dabei, deshalb habe ich in diesem Fach zusätzlichen Stauraum. Bevor ich den Stecker des Akkus ziehe, lege ich den Sicherungsschalter um. Mit dem Schlüssel entriegle ich den Akku und ziehe ihn heraus. Beim E-Roller-Sharing in Barcelona, kümmert sich das Unternehmen um das Aufladen der Akkus. (Mehr zum E-Roller-Sharing in Barcelona

Über das Ladegerät kann ich den Akku in der Wohnung an die Steckdose hängen. Der Lüfter des Geräts ist recht laut und erst nach sieben Stunden ist der Akku wieder voll. Optional gibt es ein 10 Ah Schnellladegerät, das die Ladezeit halbieren soll. Nachdem ich das nicht habe, lade ich den Akku über Nacht.

Elektrisches Motorrad vor einem Fenster
Eine Steckdose am Haus ist nicht nötig, weil die Akkus herausnehmbar sind. © Felix Strohbach

Zweite Runde mit Begleitung

 

Am nächsten Morgen hieve ich den 8-Kilo-Akku wieder in sein Fach. Plötzlich ertönt ein Alarm. Im abgeschlossenen Zustand reagiert die Super Soco TSx auf alle Bewegungen am Lenker oder am Seitenständer mit einem Warnsignal. Sofort krame ich nach dem Funkschlüssel in meiner Jackentasche. Ein Klick und der Alarm verstummt. Zeit für eine zweite Ausfahrt.

 

Ich klappe die zwei zusätzlichen Fußrasten aus, denn heute fahre ich nicht allein. Zu zweit haben wir nicht viel Platz auf dem Sitzpolster und für meine Begleitung gibt es keine Möglichkeit sich am Roller festzuhalten. Spaß haben wir trotzdem, denn auch zu zweit erreichen wir über 60 km/h und die Beschleunigung bleibt kraftvoll. Laut Hersteller können maximal 160 Kilo zu geladen werden. Der Ladestand schrumpft etwas schneller, aber für eine gemeinsame Fahrt durch das Innsbrucker Umland reicht es leicht.

Optisch wirkt die Super Soco TSx wie ein richtiges Motorrad. © Felix Strohbach

Fazit

Mit einem zweiten Akku schafft die Super Soco TSx über 100 Kilometer, genug um mehrere Stunden über Bergstraßen zu kurven. Für unter 4.000 Euro bietet das Bike 3.000 Watt Power und 150 Newtonmeter Drehmoment und gehört damit noch zur Klasse der E-Roller. Wer einen Motorradführerschein besitzt kann auf die 5.000 Watt starke Super Soco TCmax oder E-Motorräder der Marken Zero Motorcycles oder Energica umsteigen. Hier sind dann über 300 Kilometer Reichweite, 3,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h und Ladezeiten von 60 Minuten möglich. Fest steht: Elektromotorräder machen Spaß, die Luft bleibt frei von Abgasen und demonstrieren für Motorradlärm wird überflüssig. 


Disclaimer:
Die Super Soco TSx wurde mir als Presse-Fahrzeug für ein Wochenende kostenlos zur Verfügung gestellt. 

Share on facebook
Share on twitter
Share on email
Share on telegram
Share on whatsapp
Das Solarauto Sion in der Seitenansicht im Studio
Am Wochenende
Felix J. Strohbach

Sono Motors: Solarauto zum Teilen

Er hat keinen glänzenden Lack und auch keine schnittige Karosserie. Die Qualitäten des Solarautos Sion schimmern dunkelblau und liegen unter einer matten Kunststoffschicht. Außerdem lässt er sich via App mit anderen Menschen teilen oder dient als mobile Stromquelle.

Zwei Kleinstfahrzeuge in Amsterdam
Im Alltag
Felix J. Strohbach

Schwerelose Mobilität 6/10: Weniger Platz brauchen

Wir haben ein Platzproblem. FußgängerInnen und RadfahrerInnen bekommen zu wenig und Autos zu viel Platz. Ausgleichen können wir diese Ungerechtigkeit nur durch eine Umverteilung und wenn unsere Fahrzeuge zukünftig weniger Platz brauchen.

Abends auf der deutschen Autobahn
Im Alltag
Felix J. Strohbach

Das Land der Rasenden – Tempolimit Deutschland

Mit dem Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen ist es ein bisschen so wie mit den Waffen in den USA. Jeder weiß, dass es gefährlich ist, nehmen lassen möchte sich diese gefühlte Freiheit trotzdem niemand. Oder doch?

Mobile Wanderbäume in Wien
Im Alltag
Felix J. Strohbach

Mobile Bäume für die Kühlung der Stadt

Betonierte Straßen und gepflasterte Plätze heizen sich im Sommer ungebremst auf. Die Lösung: Mobile Bäume, die die Stadt kühlen.