Sie brauchen Platz, kosten Geld und stehen die meiste Zeit bloß herum. Trotzdem können viele auf dem Land nicht auf ihr Auto verzichten. Im Landkreis Garmisch-Partenkirchen gibt es jetzt ein Carsharing. Hier kann jeder und jede Elektroauto fahren, ohne eins zu kaufen.
Mit dem Smartphone in der Hand stehe ich vor einem weißen e-Golf und wische mit dem Zeigefinger auf dem Touchscreen nach rechts. Es klickt und das Fahrzeug entriegelt sich. Im Handschuhfach finde ich den Schlüssel und eine Ladekarte. Nachdem ich mit dem Schlüssel den Ladestecker entriegelt habe, ziehe ich ihn aus der Ladesäule und lege das gelbe Kabel zusammengerollt in den Kofferraum. Für die nächsten drei Stunden gehört das Auto mir.
Anmelden und Führerschein validieren
In wenigen Minuten habe ich mich online für das E-Carsharing registriert. Kontonummer und Adresse angeben, App herunterladen und Führerschein validieren lassen. Für die Validierung musste ich drei Fotos und ein kurzes Videos von meinem Führerschein machen und bei einem Portal der Deutschen Post hochladen. Alles wird Schritt für Schritt erklärt. Danach kann ich sofort ein Fahrzeug reservieren und losfahren.
Schlüssel drehen und Abfahrt
Ein leises Surren ertönt und die Armatur leuchtet auf. Die rote Nadel der Akkuanzeige dreht nach rechts und bleibt bei etwa 80 Prozent stehen. 220 Kilometer Reichweite zeigt das Display. Nachdem ich den Sitz eingestellt und die Spiegel ausgerichtet habe, lege ich den Gurt an und greife ans Lenkrad. Blaue Nähte ziehen sich über die Innenseite. Über das Multifunktionslenkrad lässt sich das gesamte Multimedia-System steuern. Wie bei einem Automatik-Auto gibt es auch in einem Elektroauto keine manuelle Schaltung. Mit der rechten Hand ziehe ich den Knauf in der Mittelkonsole nach hinten und stelle ihn auf D für Drive.
Unter den Reifen knirschen Kieselsteine, als ich leise vom Parkplatz rolle. Kein rumpelnder Motor, kein röchelnder Auspuff, nur ein leises Surren dringt zu mir in den Innenraum. Schwungvoll biege ich auf die Bundesstraße. Nach dem Ortsausfahrtschild trete ich das Fahrpedal durch. Ich werde in den Sitz gedrückt und das Fahrzeug beschleunigt in wenigen Augenblicken von 50 auf 100 km/h.
Schnell werden mir die Kurven der Landstraße zu eng und ich nehme den Fuß vom Pedal. Ungebremst gleitet der e-Golf weiter, nur bergauf scheint er wirklich Geschwindigkeit zu verlieren. Um bergab Energie zurückzugewinnen, kann ich den Schaltknauf einmal kurz nach hinten ziehen und die Rekuperation aktivieren. Jetzt bremst das Fahrzeug spürbar ab, wenn ich den Fuß vom Fahrpedal nehme. Aktiv bremsen muss ich kaum.
Komfortabel zum Badesee
Während ich an Tankstellen vorbei rolle, brummen die klaren Bässe meiner Lieblingssongs aus den Lautsprechern des Soundsystems. Via Bluetooth kann ich auf die Spotify-Playlisten meines Smartphones zugreifen und auf dem Lenkrad zwischen den Liedern hin und her wechseln. (Wenn Dir ein Song einfällt, der sich mit schwereloser Mobilität beschäftigt, schicke ihn mir gerne hier zu und ich nehme ihn in die Schwerelose Playlist auf.) Die Klimaanlage hält den Innenraum auf einer angenehmen Temperatur und das Navigationssystem zeigt mir alle Ladestationen im Umkreis an. Nachdem die Reichweite noch immer bei über 200 Kilometern liegt, fahre ich auch an den Ladesäulen vorbei.
Nach einer halben Stunde Landstraße bin ich da. Ich schalte in den Rückwärtsgang und sofort zeigt mir die Rückfahrkamera auf dem Bildschirm, wie weit ich noch zurückfahren kann. Ohne Probleme manövriere ich das Auto gerade so nah an den Zaun, das ich den Kofferraum noch öffnen kann. Handtuch und Badehose raus und ab zum See. Viele Seen in den Alpen sind mit dem Zug nicht zu erreichen und im Bus wird mir auf kurvigen Strecken schnell schlecht. Wenn ich keine Zeit und Lust habe, mehrere Stunden zu Fuß oder mit dem Rad zu fahren, ist das E-Auto die angenehmste Alternative.
Auto zurückgeben und bezahlen
Nach vier Stunden parke ich den e-Golf wieder an der Ladesäule, an der ich ihn geholt habe. Insgesamt bin ich 53 Kilometer gefahren und vier Stunden unterwegs gewesen. Für diese Strecke hätte auch ein Twizy ausgereicht. (Mehr dazu steht in diesem Beitrag: 7 Jahre mit dem Twizy) Sobald das Fahrzeug wieder am Stecker hängt und ich den Schlüssel im Handschuhfach verstaut habe, kann ich die Fahrt auf dem Smartphone beenden. Pro Stunde kostet das Auto 4,90 Euro, dabei sind je 20 Kilometer inklusive. (Mehr zu den Preisen) Einige Tage nach der Fahrt wird das Geld automatisch vom Konto abgezogen. Leider kann ich das Auto bisher nur dort abgeben, wo ich es geholt habe.
Mit dem Schlüssel gebe ich auch die Verantwortung für das Auto ab. Ich brauche keinen Stellplatz, muss keine Versicherung zahlen und um die Wartung kümmere ich mich auch nicht. Beim E-Carsharing zahle ich nur, solange ich das Auto nutze. Für unter zwanzig Euro bin ich mit dem e-Golf durch die Berge gefahren, nächstes Mal probiere ich vielleicht einen BMW oder ein anders E-Auto. Für was muss ich heute noch ein Auto besitzen? (Warum ich kein eigenes Auto mehr besitze, lest ihr hier: Endlich unabhängig.) Mein persönlicher Fuhrpark besteht aus allen Leih- und Sharing-Fahrzeugen dieser Welt. Und statt einer großen Garage brauche ich nur mein Smartphone.
Disclaimer: Das Fahrzeug habe ich privat bezahlt und der Anbieter des E-Carsahring hatte keinen Einfluss auf diesen Bericht.