Kleine Elektroautos werden oft als Stadtautos abgetan, obwohl ihre Reichweiten auch außerhalb der Stadt ausreichen. Auch der elektrische Mini Cooper ist kein Auto für die Stadt, denn er braucht mehr Platz als ein Dutzend Fahrräder und seine Beschleunigung wäre dort verschenktes Potenzial. Diese Testfahrt zeigt, dass 200 Kilometer Reichweite und eine Schnellladefunktion sich vor allem für längere Strecken auf dem Land eignen.
Motor starten
Überall sind Knöpfe, Regler und verchromte Hebel. Am Lenkrad, unter dem runden Touchscreen und über dem Rückspiegel. Der Innenraum des elektrischen Mini ist das Gegenteil von minimalistisch. Einen Platz für den kontaktlosen Schlüssel finde ich nicht, deshalb versenke ich ihn im Getränkehalter. Die Suche geht weiter. Wie starte ich den Motor? Unter dem Knopf für die Heckscheiben-Heizung und zwischen dem Hebel für die Rekuperation und dem ABS versteckt sich der einzige gelbe Hebel im gesamten Innenraum. Er trägt die Aufschrift Start/Stop.
Abfahrt in Innsbruck
Ein futuristischer Sound ertönt (von Hans Zimmer komponiert) und über der Armatur fährt ein Head-up-Display heraus. Der Akku ist voll und es werden 232 Kilometer Reichweite angezeigt. Für eine ausgedehnte Fahrt durch die deutschen und österreichischen Alpen sollte es reichen. Leise rolle ich auf die Straße und trete das Fahrpedal durch.
Nach vier Sekunden ist der elektrische Mini bei über 60 km/h. In Deutschland kostet das innerorts bereits 15 Euro Strafe, zwei Sekunden später wären es schon 80 Euro und ein Punkt in Flensburg. Die Beschleunigung des Mini Cooper SE bringt mich in der Stadt schnell in den strafbaren Bereich. (Auch interessant: Auf dem Fahrrad durch Berlin)
Jeder Ampelstart erfordert deshalb Selbstkontrolle. Um durch die schmale Frontscheibe das Ampellicht zu erkennen, muss ich mich ganz nach vorne lehnen. Manche Ampeln hängen so hoch, dass ich sie zurückgelehnt durch das Glasdach (Sonderausstattung) sehen kann. Es wird Zeit die Stadt zu verlassen.
Raus aufs Land
Das Ortsschild zieht vorbei und mit ihm das Tempolimit 50. Kurz das Fahrpedal durchtreten, in den Sitz gedrückt werden und schon überschreite ich auch auf der Landstraße das Tempolimit. Selbst bei 16 Prozent Steigung werde ich mit einer kraftvollen Beschleunigung bergauf getragen. Um sicherzugehen, aktiviere ich den Tempomat, nehme beide Hände ans Lenkrad und konzentriere mich auf die Kurven vor mir. Die gute Straßenlage und die direkte Lenkung verleiten mich dazu, in Kurven einzufahren, ohne vorher zu bremsen. Wenn ich den Fuß vom Fahrpedal nehme, gleitet der Mini fast ungebremst weiter. (Auch interessant: Fahrspaß mit 25 km/h.)
In den Fahrmodi Green und Green+ bremst der Kleinwagen spürbar ab und rekuperiert sobald ich den Fuß vom Fahrpedal nehme. Manuell kann ich zwischen zwei Rekuperationsstufen wählen. Leider gibt es am Lenkrad keine Möglichkeit zwischen den Stufen zu wechseln. Der Schalter dafür befindet sich links neben dem Start-Schalter. Um am Zirler Berg bergab nicht auf die Bremse steigen zu müssen, aktiviere ich die stärkere der beiden Stufen. Sofort gewinnt der elektrische Mini Energie zurück und ich kann dabei zusehen, wie die Reichweite steigt.
Schnell mal laden
Den Zirler Berg hoch, vorbei am Geroldsee, durchs Loisachtal, zum Staffelsee, weiter zum Kochelsee, den Kesselberg rauf, den Walchensee entlang und zurück nach Innsbruck. Nach fast 200 Kilometern über kurvige Berg-und Landstraßen nähert sich der Akkustand dem Ende. Mit leerem Akku in Innsbruck ankommen war für mich trotzdem unmöglich, denn den Zirler Berg hinunter gewinnt der Mini jedes Mal ein paar Prozent zurück. Mit neun Prozent Akkuladung erreiche ich eine öffentliche Schnellladestation am Stadtrand.
Über den CCS-Stecker kann der Mini Cooper SE bis zu 50 Kilowatt laden. Bei einer 32,6 kWh-Batterie reichen deshalb 40 Minuten aus, um über 90 Prozent nachzuladen. Bei den letzten zwanzig Prozent wird die Ladeleistung deutlich gedrosselt. An der Haushaltssteckdose braucht der elektrische Mini etwa 14 Stunden von null auf 100 Prozent, über Nacht wäre auch das kein Problem.
Leiser durch die Nacht
Langsam dämmert es. Den Stecker habe ich abgezogen und vor mir liegen wieder 200 mögliche Kilometer. Wohin mit diesem Potenzial? Ich entscheide mich für die alte Brennerstraße. Kurve für Kurve gleite ich die Bergstraße hoch. Kein Motor, der mit hoher Drehzahl den Berg hinauf heult, kein knatternder Auspuff. Noch leiser wäre nur gar kein Straßenverkehr. Deshalb entschließe ich mich, für heute auch den Elektromotor abzuschalten. Mittlerweile bin ich sowieso erschöpft, denn über 200 Kilometer konzentriert Fahren ist anstrengend. Für längere Strecken finde ich Zugfahrten deutlich angenehmer. (Mehr dazu: Übernacht von den Bergen ans Meer.)
Fazit
Mit 3,85 Metern Länge ist der Mini längst nicht mehr so kompakt, wie er es einmal war. Zu den kleinsten Autos auf dem Markt gehört er trotzdem noch. Anders als viele neue Autos hat er noch immer runde Scheinwerfer und wirkt freundlich statt aggressiv. Bei der Parkplatzsuche in der Stadt habe ich mit dem elektrischen Mini gegenüber einem SUV sicher einen Vorteil, eine Parklücke brauche ich trotzdem. Außerhalb der Stadt und für Fahrten durch bergiges Land bietet der Mini Cooper SE viel Komfort für zwei und ausreichend Platz für vier Personen. Das perfekte Stadtauto ist der Mini nicht und und ein solches Auto wird es auch niemals geben, das hat auch Rally-Weltmeister Walter Röhrl längst erkannt: „In der Stadt fährt man nicht Auto, sondern Fahrrad.“ (Quelle: Augsburger Allgemeine)
Weitere Fakten & Zahlen:
Der Mini Cooper SE kostet mindestens 31.681 Euro (-9.000 Euro Förderung in Deutschland/ -5.000 Euro Förderung in Österreich). Hoffentlich wird der elektrische Mini auch bald im Carsharing angeboten. Die Reichweite liegt je nach Fahrweise zwischen 177 und 270 Kilometern. Er beschleunigt in 7,3 Sekunden von null auf 100 km/h und erreicht maximal 150 km/h.
Disclaimer: Der Mini Cooper SE wurde mir für eine Woche als Pressefahrzeug zur Verfügung gestellt. Der Hersteller hatte keinen Einfluss auf diesen Beitrag. Alle Fotos sind selbstgemacht.