Das Solarauto Sion in der Seitenansicht im Studio
© Sono Motors

Sono Motors: Solarauto zum Teilen

Er hat weder glänzenden Lack noch eine schnittige Karosserie. Die Qualitäten des Solarautos Sion liegen unter einer matten Kunststoffschicht und schimmern dunkelblau. Er lässt sich via App mit anderen Menschen teilen und kann als mobile Stromquelle dienen. Ich habe das Start-up Sono Motors in München besucht und eine Runde im Solarauto gedreht.

Vertikale Moosflächen, Sofas zwischen Monstera-Pflanzen und Zimmerpalmen auf Holzkisten füllen die Halle des Sono House in München. Während wenige Kilometer entfernt auf der IAA lang gezogene Coupés mit automatisch öffnenden Flügeltüren auf Hochglanz poliert werden, lädt das Start-Up Sono Motors zu ChariTea und Testfahrten auf dem Firmengelände ein. Entlang einer gelben Linie am Boden der Halle durchlaufen die BesucherInnen die Meilensteine des Unternehmens. Am Anfang steht ein modifizierter Renault Twingo, der mit Solarzellen übersät ist. Es ist das erste Fahrzeug, das die beiden Gründer Laurin Hahn und Jona Christians gebaut haben. Am Ende der Linie stehen zwei fahrbereite Prototypen des Sion. Bis auf die matte Außenbeschichtung, unter der die Solarzellen blau schimmern, wirkt er wie ein gewöhnlicher Mini-Van. Innen ist es ähnlich, mit einer Ausnahme.

Außen matt, innen Moos

Zwei Displays und viel Kunststoff. Teile der Armatur bestehen aus recyceltem Plastik und der 10-Zoll-Bildschirm in der Mitte lässt sich via Touch bedienen. Der Rest wirkt simpel und aufgeräumt, nur das Belüftungssystem zieht Aufmerksamkeit auf sich. Grünes Moos quillt unter der Armatur hervor und filtert die Luft. Es kann in unterschiedlichen Farben angestrahlt werden und verleiht dem sonst eintönigen und dunklen Innenraum einen erfrischenden Farbakzent.

Der Touchscreen im Sion und darunter das Moos
Auf dem Touchscreen sieht man, wie viel Strom die unterschiedlichen Solarmodule momentan produzieren. Darunter ist das Moos. © Sono Motors

Probefahrt im Solarauto von Sono Motors

Geradeso gleiten wir mit den Seitenspiegeln an den Kanten der geöffneten Eingangstür vorbei. Kratzer im Lack sind beim Solarauto Sion zwar nicht möglich (er hat keine Lackierung), anecken möchte ich trotzdem nicht. Als wir aus dem Schatten des Eingangs herausfahren, färbt sich das Dach in der Fahrzeugansicht auf dem Bildschirm gelb. Sofort speist das Solardach 125 Watt in den Akku. Insgesamt sind bis zu 1.200 Watt möglich. Das wären umgerechnet bis zu 245 Kilometer Reichweite pro Woche nur durch die Sonne. Auf unserer kurzen Runde über das Firmengelände konnte ich das zwar nicht testen, ein Gespür für die Beschleunigung und das Handling habe ich aber bekommen. Mein Eindruck: Solide, intuitiv und kraftvoll.

Mitgründer Laurin Hahn und Autor Felix Strohbach im Gespräch
Mitgründer Laurin hat mir erklärt, dass Solarzellen auf der Armatur keinen Sinn machen, weil die Autoscheiben eine UV-Beschichtung haben müssen. © Sono Motors

Beim Tritt aufs Fahrpedal drückt es Mitgründer Laurin und mich in die Sitzlehnen. Ein Tesla ist der Sion nicht. Vergleichbare Verbrenner würde er trotzdem stehen lassen. Andere Solar Electric Vehicles (SEV) gibt es bisher kaum. Außer dem Lightyear One und dem Aptera gibt es auf dem Markt keine Herausforderer.

„Wir sehen uns auch nicht als Konkurrenten, weil wir alle drei für die gleiche Sache kämpfen. Außerdem sind das auch ganz andere Konzepte. Der Lightyear One kostet über 140.000 Euro, also Premium-Segment, und Aptera gehört eher zu den elektrischen Leichtfahrzeugen. Unser Sion dagegen ist ein Familienauto mit günstigem Einstiegspreis“, sagt Laurin. 25.500 Euro wird der Sion vor Abzug der Umweltprämie (6.000 Euro) kosten.

Laurin ist davon überzeugt, jedes Solarfahrzeug, das auf den Markt kommt, wird auch Sono Motors helfen, „weil es Aufmerksamkeit dafür schafft, dass Solarfahrzeuge das nächste große Ding werden.“ (Auch interessant: Sonntagsfahrt im Solar Velomobil)

Über die App von Sono Motors können auch alle anderen privaten Fahrzeuge geshared werden, auch Verbrenner. © Sono Motors

Privates Carsharing und Solarautos für alle

Sono Motors hat zusätzlich zu ihrem Solarauto eine App für privates Carsharing entwickelt. Sie soll eine schlüssellose Übergabe und eine individuelle Preisgestaltung ermöglichen. Für einen Aufpreis pro Fahrt im Cent-Bereich übernimmt Sono Motors die Versicherung. Ab 2022 soll die App öffentlich zugänglich sein und es ermöglichen, jedes Fahrzeug (auch Verbrenner) mit anderen zu teilen. Gleichzeitig funktioniert die App auch als Mitfahrzentrale und Ladestromanbieter. Der Sion kann bidirektional laden, er kann auch Strom an andere elektrische Fahrzeuge oder Geräte abgeben. Anschließen lassen sich der Haushaltsstecker (SchuKo) und ein Stecker Typ 2, mit dem bis zu 11 kW geladen werden können. Wie viel Strom und an wen, das kann über die App festgelegt werden. Insgesamt bietet der kobaltfreie 54-kWh-Akku bis zu 305 Kilometer Reichweite, der Solarstrom kommt noch obendrauf.

Sono Motors ist kein klassischer Autohersteller

Solarzellen, privates Carsharing, Mitfahrzentrale, mobile Ladestation und ein Open Service System, mit dem BesitzerInnen das Solarauto selbst instand halten können. Bei vielen Entscheidungen wird die Community befragt, denn nur durch sie lebt das Unternehmen. Über 14.000 Fahrzeuge wurden bereits vorbestellt und über 50 Millionen Euro über Crowdfunding eingesammelt. Auch wenn das Solarauto Sion auf den ersten Blick weniger hermacht als die glänzenden Konzeptfahrzeuge auf der IAA, könnte er sich konzeptionell gegen sie behaupten. Wirklich passend wäre es trotzdem nicht, denn bei Sono Motors geht es nicht nur um ein neues Auto, sondern um eine ganzheitlichere Vision: Eine nachhaltigere Mobilität für alle, nicht nur für AutobesitzerInnen.

Weitere spannende Beiträge:
Fünf Gründe gegen ein eigenes Auto

Carsharing auf dem Land

Elektrische Cabrios fürs Wochenende

Schwerelose Mobilität 1/10: Privates Carsharing

Mehr zu Sono Motors steht auf sonomotors.com.

Share on facebook
Share on twitter
Share on email
Share on telegram
Share on whatsapp
Schauspieler Lenn Kudrjawizki im Gespräch mit Felix Strohbach
Am Wochenende
Felix J. Strohbach

Lenn Kudrjawizki: „Ich fahre da jetzt überall mit dem Elektroauto hin“

Das Gesicht kommt Ihnen bekannt vor? Vielleicht aus dem oscarprämierten Film „Die Fälscher“, der Paramount-Produktion „Jack Ryan: Shadow Recruit“ oder der ARD-Reihe „Der Kroatien Krimi“. Mit etwas Glück trifft man Lenn Kudrjawizki auch an den E-Auto-Ladestationen in ganz Europa.

Shary Reeves mit Felix Strohbach an einer Ladestation
Am Wochenende
Felix J. Strohbach

An der Ladestation mit Shary Reeves von Wissen macht Ah!

Nach einer Karriere als Profifußballerin und HipHop-Musikerin wurde die Kölnerin durch die Kinder- und Jugendsendung Wissen macht Ah! bekannt. Heute moderiert sie die Fußball Champions League und fährt Elektroauto. Wir haben Shary Reeves an einer Ladestation im Großraum Köln für ein Interview getroffen.

E-Autos für unter 25000 Euro: Der neue Citroën ë-C3
Im Alltag
Felix J. Strohbach

E-Autos für unter 25.000 Euro

Für viele Menschen in Deutschland sind Elektroautos noch zu teuer. Tatsächlich findet man momentan kaum einen elektrischen Neuwagen unterhalb der 25.000-Euro-Marke. Nächstes Jahr könnte sich das ändern.

Fenster an einem gefließten Haus in Lissabon
Im Alltag
Till Steinmeier

Policy Windows: Das Erfolgsrezept der Pop-up-Radwege

Ein paar Pylonen oder Absperrbaken, ein bisschen Farbe, et voilà. Es braucht nicht viel, um Radwege zu schaffen, das haben Städte weltweit während der Corona-Pandemie bewiesen. Dabei gab es das Konzept der Pop-Up-Radwege schon vorher und das ist ein entscheidende Faktor für ihren Erfolg.

Abends auf der deutschen Autobahn
Im Alltag
Felix J. Strohbach

Das Land der Rasenden – Tempolimit Deutschland

Mit dem Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen ist es ein bisschen so wie mit den Waffen in den USA. Jeder weiß, dass es gefährlich ist, nehmen lassen möchte sich diese gefühlte Freiheit trotzdem niemand. Oder doch?

Der elektrische Kleinwagen Honda e in blau am Waldrand
Im Alltag
Felix J. Strohbach

Honda e: 3 Dinge, die alle E-Autos haben sollten

Seit 2020 hat Honda sein erstes Elektroauto auf dem Markt. Statt wie viele andere Hersteller ein bestehendes Verbrenner-Modell zu elektrifizieren, hat der japanische Autohersteller ein komplett neues Fahrzeug konzipiert. Auch zwei Jahre nach Marktstart ist der Honda e seiner Konkurrenz in vielen Punkten voraus, hier sind die drei wichtigsten.