Seit Jahrzehnten werden unsere Autos immer größer, schwerer und teurer. Der Microlino stellt sich diesem Trend entgegen und könnte der Vorbote einer neuen Ära sein.
Seichte Wellen glucksen ans Ufer des Zürichsee. Die sinkende Nachmittagssonne reflektiert sich in der Wasseroberfläche und hüllt den gesamten Kanton in gleisendes Licht. Es ist Ende Februar, trotzdem zeigt das Thermometer 14 Grad Celsius. Schnee ist nur auf weit entfernten Berggipfeln zu erahnen. Im Innenraum unseres vollelektrischen Bubble Cars wird es durch die direkte Sonneneinstrahlung und die rundum Verglasung schnell warm. Statt das laute Gebläse einzuschalten, öffnen wir mit zwei Handbewegungen das faltbare Stoffdach. Sofort weht uns ein angenehmer Wind durch die Haare. (Ähnlich funktioniert das beim Microcar Biró, eine Alternative zum Renault Twizy?)
Der Microlino ist die elektrische Neuauflage der BMW Isetta
Wir schwimmen im anklingenden Feierabendverkehr mit und gleiten entlang des Zürichsee Richtung Süden. Unser Ziel ist die über 60 Kilometer entfernte Stadt Glarus. Den gesamten Weg über werfen uns Autofahrerinnen, Passanten und Kinder mindestens interessierte Blicke und häufig sogar ein Lächeln zu. Der Microlino ist auch hier eine erfrischende Abwechslung im Straßenbild, obwohl ihn die Menschen rund um Zürich mittlerweile kennen könnten.
Keine zehn Kilometer entfernt von Zürich in der Gemeinde Küsnacht hat die Microlino AG ihren Hauptsitz. Direkt vor dem Gebäude steht eine ganze Reihe Microlinos. In Orange, Dunkelblau, matt Grün, Schwarz und Mint. Unser Testfahrzeug ist in mattem Silber lackiert und erinnert uns nicht nur an die BMW Isetta, sondern auch an ein anderes elektrisches Leichtfahrzeug, das es leider nie in die Serienproduktion geschafft hat: den Uniti One aus Schweden. Immer wieder stellen sowohl Start-ups als auch etablierte Hersteller leichtere und kompaktere Konzeptfahrzeuge vor. Umso erfreulicher ist es, dass die Brüder Merlin und Oliver Ouboter den Microlino tatsächlich auf die Straße bringen. Noch in der ersten Jahreshälfte sollen die ersten Fahrzeuge in Deutschland ausgeliefert werden, denn für die Ouboters ist die Bundesrepublik der wichtigste Markt. Aktuell ist die Konkurrenz überschaubar und das Potenzial elektrischer Leichtfahrzeuge wird nicht annähernd ausgeschöpft.
Kleine Fahrzeuge mit großem Potenzial
Laut einer aktuellen Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt könnten etwa die Hälfte aller PKW-Fahrten mit einem elektrischen Leichtfahrzeug (LEV = Light Electric Vehicle) bewältigt werden. Das würde mehr als 40 Prozent der Treibhausgasemissionen einsparen. „Bei großen und schweren Autos wird ein Großteil der Antriebsenergie benötigt, um das Fahrzeug an sich zu bewegen. Nur ein Bruchteil dient der Fortbewegung der Insassen. Bei LEV ist das Verhältnis wesentlich besser. Aufgrund ihres geringeren Gewichts kann die Batterie kleiner ausgelegt werden. Sie verbrauchen so auch in der Produktion weniger Rohstoffe und verursachen weniger klimaschädliche Emissionen“, so das Ergebnis der Studie. „Das Auto ist in Deutschland immer noch das meistgenutzte Verkehrsmittel. Durchschnittlich sitzen allerdings nur 1,4 Personen darin und die zurückgelegten Strecken sind überschaubar: 80 Prozent sind kürzer als 20 Kilometer.“ Für solche Strecken ist der Microlino nicht nur ausreichend, sondern ein absoluter Spaß-Garant. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 90 Stundenkilometern darf er sogar auf die Autobahn, auch wenn das nicht sein bevorzugtes Terrain ist.
Microlino: Reichweite und Ladezeit
Auf der Schweizer Landstraße hingegen ist er dank des Tempolimits bei 80 Stundenkilometern ein vollwertiger Verkehrsteilnehmer. Sobald der digitale Tacho 65 Stundenkilometer überschreitet, klingt der Elektromotor am Heck etwas schrill. Bei offenem Stoffverdeck wird das Geräusch aber vom Fahrtwind geschluckt. Merlin und Oliver Ouboter versprechen trotzdem Nachbesserungen und das noch während des aktuellen Produktionshochlaufs. Eine gedämpfte Geräuschkulisse wie in einem Elektroauto der Mittel- oder Premiumklasse darf man beim Microlino schon angesichts der Fahrzeugklasse L7e aber nicht erwarten.
Nach über 60 Kilometern auf und ab erreichen wir die Stadt Glarus. Der Akku hat noch 57 Prozent. Wir würden also auch ohne Aufladen wieder zurückkommen. Nachdem wir Übernacht bleiben, laden wir trotzdem. Das können wir beim Microlino über einen Stecker Typ 2 an jeder öffentlichen Ladestation oder an der normalen Haussteckdose in maximal vier Stunden. Wir haben uns für eine besondere dritte Möglichkeit entschieden. Eine mobile Energiequelle in Form unseres zweiten Testfahrzeugs, dem Hyundai IONIQ 5. Mehr dazu: Bidirektionales Laden: Das funktioniert heute schon
Preis und Sicherheit
Spätestens mit dem Wegfall des Umweltbonus werden elektrische Leichtfahrzeuge preislich gegenüber klassischen Elektroautos unschlagbar sein. In manchen Landkreisen gibt es sogar regionale Fördertöpfe für die Fahrzeugklasse L7e. Der Unterhalt ist auch heute schon günstiger, denn Versicherungs-, Wartungs- und Stromkosten fallen niedriger aus. Dafür muss man bei den Sicherheits- und Assistenzsystemen Abstriche machen. Einen Airbag findet man im Microlino genauso wenig wie ESP oder einen Notfallbremsassistenten. Merlin und Oliver Ouboter kündigen trotzdem selbstbewusst an, dass sie bald die Videos ihrer NCAP-Crashtests veröffentlichen werden. Die selbsttragende Aluminiumkarosserie ist in jedem Fall sicherer als jeder Roller, jedes Motorrad oder Lastenfahrrad. (Auch interessant: 7 Jahre mit dem Renault Twizy)
Fazit zum Microlino
Für lange Fahrten auf der Autobahn ist der Microlino das falsche Fahrzeug. Auf Kurzstrecken ist er dafür die wohl sympathischste Art der Fortbewegung. Dieses Fahrzeug bildet nicht nur eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft, sondern auch zwischen Autoliebhaberinnen und Fahrradenthusiasten. Der Microlino braucht weniger Strom als ein Elektroauto und ähnlich wenig Platz wie ein Zweirrad. Er bietet vollen Wetterschutz und passt in jede Parklücke. Für die meisten Strecken kann er ein Auto problemlos ersetzen und wer ihn als Zweitwagen nutzt, der kann sich sicher sein, dass er dem Erstwagen die Show stehlen wird.
Fahrzeugdaten Microlino
Antrieb: Heck
Max. Leistung: 12,5 (17 PS)
Höchstgeschwindigkeit: 90 km/h (L7e)
Max. Reichweite: 95 / 175 / 230 Kilometer
Akkukapazität: 6 / 10.5 / 14 kWh
Beste Ladezeit: 3 – 4 Stunden (0 – 100 %)
Leergewicht: 496 / 513 / 530 Kilogramm
Maße L/B/H: 2519 / 1473 / 1501 mm
Gepäckvolumen: 230 Liter
Einstiegspreis: 15.085 Euro
Preis des Testwagens: 22.690 Euro (Pioneer Series)
Das war nur ein Textauszug. Den kompletten Beitrag zum Microlino findet ihr in der arrive-Ausgabe 03 2023. Zum kostenlosen Probeabo!
Außerdem haben wir diese Themen im Heft:
- 700 Kilometer Reichweite: Erste Fahrt im Volkswagen ID.7
- Ab auf die Insel! Urlaub mit dem Fiat 500e auf Mallorca
- Mission: Gletscher-Rettung – Unterwegs auf den Moonbikes