Ein Porsche ist schnell, ein Porsche ist teuer. Was gibt es darüber hinaus beim ersten Elektro Porsche zu entdecken? Eine Woche lang war ich mit dem Porsche Taycan 4S unterwegs und hatte dabei gemischte Gefühle.
Vor mir steht ein fast fünf Meter langer Sportwagen mit Kotflügeln, die höher sind als die Fronthaube. Ein typisches Designmerkmal von Porsche, genau wie der durchgängige Leuchtstreifen am Heck. Durch die ikonische Optik ist ein Porsche oft schon von Weitem zu erkennen und meistens auch zu hören. Doch statt eines brodelnden Sechszylinder-Boxermotors und pfeifenden Turboladern hat der Porsche Taycan 4S leise Elektromotoren mit bis zu 420 Kilowatt (571 PS) Leistung. Viel Power kenne ich bereits von anderen Elektroautos, überrascht haben mich andere Aspekte und ich habe auch etwas über mich selbst gelernt. Diese fünf Erkenntnisse hatte ich bei meiner Fahrt im Porsche Taycan 4S.

1. Alle schauen, keiner spricht
Er ist flach, dunkelrot und vorne funkelt das goldene Porsche-Emblem. Klar, dass alle schauen. Doch auch das kenne ich von Fahrten mit anderen elektrischen Fahrzeugen. Auch der Polestar 2 oder der Opel Rocks-e sind Aufmerksamkeitsmagneten, aber bei beiden waren es interessierte Blicke und die Leute haben gefragt: „Was ist das für ein cooles Fahrzeug? Von welcher Marke? Das ist ein Elektroauto, krass!“ Beim Elektro Porsche hat oft niemand etwas gesagt und ich habe trotzdem etwas gehört.

„Der hat wohl zu viel Geld geerbt! Der denkt wahrscheinlich, dass er etwas Besseres ist oder mit seinem Elektro-Porsche die Welt rettet! Du weißer, privilegierter Schnösel!“ Ich weiß, das war alles nur in meinem Kopf. Trotzdem bin ich am liebsten früh morgens in den Taycan gestiegen, als die Nachbarn noch geschlafen haben und die Landstraßen noch leer waren. Auch, weil ich so das Fahrverhalten des Elektro Porsche ungestört testen konnte.
2. Präzision bei Lenkung und Fahrwerk
Als ich aus Innsbruck rausfahre, ist es noch dunkel. Am Zirler Berg hängen Nebelschwaden in den Tannen und das Scheinwerferlicht reflektiert sich in der nassen Straße. Langsam klettert die Temperatur auf fünf Grad und der Himmel färbt sich lila. Ich drehe das Rädchen am Lenkrad nach rechts, bis der Modus Sport Plus aktiv ist. Sofort senkt sich das Fahrwerk ab und verhärtet sich. Mein Herzschlag wird schneller. Hinter mir ist die Straße frei, also bleibe ich kurz stehen. Mit dem linken Fuß auf dem Bremspedal aktiviere ich die Launch Control. Ich kontrolliere noch einmal die Straße vor und hinter mir, bevor ich meinen linken Fuß anhebe.

Im nächsten Augenblick entfessle ich 420 Kilowatt auf den nassen Asphalt. Ohne spürbare Traktionsverluste katapultiert mich der Porsche nach vorne und erreicht nach vier Sekunden Tempo 100. Vor der Kurve steige ich aufs Bremspedal, um am Scheitelpunkt wieder zu eskalieren. Die G-Kräfte drücken mich zur Seite, doch die Wangen der Sportsitze halten mich in Position. Auch in engen Kurven liegt der Taycan wie ein Magnet auf der Straße und die Lenkung reagiert auf jeden Millimeter meiner Handbewegungen. Dass der Elektro Porsche auch bei dieser Fahrweise leise bleibt, ist ein faszinierendes Gefühl. Wer es lieber laut hat, kann den Dynamic Sport Sound aktivieren. Man bekommt eine ähnliche Geräuschkulisse wie bei einem Verbrenner, passend zum restlichen Fahrverhalten.
3. Er hat die DNA eines Verbrenners
Wer schon mal Elektroauto gefahren ist, kennt das Gefühl, nur mit einem Pedal zu fahren. Sobald man den Fuß vom Fahrpedal hebt, bremst das Fahrzeug und gewinnt Energie zurück. Das sogenannte One-Pedal-Driving funktioniert im Elektro Porsche nicht. Zwar rekuperiert der Taycan, aber das Bremsen kann man dadurch nicht ersetzen. Stattdessen segelt er eine gefühlte Ewigkeit vor sich hin, ohne Geschwindigkeit zu verlieren. Bremsen muss man wie in jedem Verbrenner mit dem Pedal. Und noch etwas ist für Elektroautos untypisch.

Während der Beschleunigung geht ein Ruck durchs Fahrzeug, denn das 2-Gang-Getriebe am Heck hat geschaltet. Porsche begründet das Getriebe damit: „Der erste Gang verschafft dem Taycan eine noch stärkere Beschleunigung vom Start weg, während der lang übersetzte zweite Gang eine hohe Effizienz und ebensolche Leistungsreserven auch bei sehr hohen Geschwindigkeiten sicherstellt.“ Ob die gesteigerte Effizienz im Verbrauch spürbar wird, habe ich ausprobiert.
4. Der Elektro Porsche kann auch sparsam
Wieder glotzen die Leute zu mir rüber und ich höre ihre Stimmen in meinem Kopf: „Ist das etwa ein Porsche auf der rechten Spur? Was ist denn mit dem los?“ Ja, das ist ein Porsche und ja, ich fahre nur 90 km/h auf der Autobahn. Dass dieses Auto schnell ist, muss ich doch niemandem beweisen, dass er sparsam sein kann, schon. Das Fahrwerk habe ich manuell auf die niedrigste und härteste Stufe gestellt, alles im Sinne der Effizienz. Der adaptive Abstandshalter orientiert sich am Lkw vor mir und der Verbrauch sinkt Kilometer für Kilometer. Nach 100 Kilometern Autobahn habe ich 17,2 kWh verbraucht. Über 480 Kilometer wären bei dieser Fahrweise möglich. Ein Polestar 2 braucht mehr Strom, ein Tesla Model 3 Performance weniger. Beide haben ähnlich viel Power und kosten weniger als die Hälfte des Porsches. (Auch interessant: Mit dem Polestar 2 durch die Alpen)

5. Kostspielige Preispolitik
106.487 Euro kostet der Porsche Taycan 4S mindestens. Elektrisch umklappbare Außenspiegel, Sitzheizung und die cherrymetallic Außenfarbe ist noch nicht dabei. Mein Testfahrzeug kostet 155.336 Euro und hat die Performancebatterie Plus verbaut. Doch selbst bei diesem Preis ist weder ein Panoramaglasdach noch eine Lenkradheizung dabei. Auch das Standardsoundsystem klingt nicht so, wie man es bei einem Fahrzeug in dieser Preisliga erwarten würde. Das optionale Beifahrer-Display habe ich zwar nicht vermisst, aber die glänzende Kunststofffläche, die stattdessen verbaut ist, ist sehr anfällig für Fingerabdrücke und Kratzer.
Der hohe Preis schraubt auch die Erwartungen nach oben. Immerhin würde man für den Preis dieses Taycans drei Tesla Model 3 Long Range bekommen. Panoramaglasdach, Lenkradheizung und Echtholz in der Armatur wären bei allen drei Fahrzeugen inklusive. Der Elektro-Van Mercedes EQV 300 spielt vollausgestattet in einer ähnlichen Preisliga wie der Porsche in der Basisversion. (Mehr dazu: Vanlife im Elektrobus von Mercedes)

Fazit: Fahrt im Elektro Porsche
Nicht nur preislich hebt sich der Porsche Taycan 4S von anderen Elektroautos ab. Viele der kostspieligen Komponenten könnten Ausblicke in die Zukunft der Elektromobilität geben. Zum Beispiel das effiziente 2-Gang-Getriebe oder die Lenkung in der Hinterachse. Sie lässt das fünf Meter lange Schlachtschiff beim Wenden zu einem Kleinwagen werden. Highlights sind auch das Luftfahrwerk und die Straßenlage. Verbesserungspotenzial gibt es an anderen Stellen.
Das Aussteigen vorne wird durch die Position der B-Säule zum Rausklettern und auch der Ladevorgang ist nicht so intuitiv, wie er sein könnte. Mir ist es nicht gelungen, die maximale Ladeleistung abzurufen und in 22,5 Minuten von fünf auf 80 Prozent zu laden. Beim Tesla Model 3 Performance hat das reibungslos funktioniert (Mehr dazu: Im Tesla Model 3 zum Gardasee). Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass mir das Fahren im Porsche Taycan 4S keinen Spaß gemacht hat. Trotzdem habe ich mich nicht immer wohlgefühlt, vor allem, wenn ich beim Einsteigen beobachtet wurde. Mir ist klar geworden: Wer diesen Porsche fahren möchte, muss nicht nur viel Geld ausgeben, sondern das auch zeigen wollen.

Disclaimer: Der Taycan 4S wurde mir als Pressefahrzeug kostenlos zur Verfügung gestellt. Porsche hatte keinen Einfluss auf diesen Beitrag. Alle Bilder sind selbst gemacht.