Der Polestar 2 an einer Blumenwiese vor den Alpen
© Felix Strohbach

Polestar 2: Mit dem Tesla-Konkurrenten durch die Alpen

Großer Akku, viel Leistung und ein futuristisches Design. Der Polestar 2 ist ein Tesla-Konkurrent. Mit dem 300 Kilowatt Allradantrieb sind wir von Innsbruck bis ins letzte Eck des Ötztals gefahren. Auf unserem Roadtrip haben wir sowohl Schnee berührt als auch Löwenzahn gepflückt. Kurz gesagt, wir haben auf 200 Kilometern alle Jahreszeiten erlebt.

Vor der Abfahrt zeigt der Polestar 2 über 400 Kilometer Reichweite an. Er ist zu 93 Prozent geladen und draußen hat es um die 15 Grad. Der Himmel ist bewölkt und immer wieder schafft es ein Sonnenstrahl durch die Wolkendecke und das Panoramaglasdach zu uns in den Innenraum.

Gelbe Gurte im Innenraum des Polestar 2
Gelbe Gurte machen den veganen Innenraum des Polestar 2 auch optisch außergewöhnlich. © Felix Strohbach

Veganer Innenraum mit Farbakzenten

In ähnlich teuren Autos wäre eine Lederausstattung Standard. Der Innenraum des Polestar 2 ist mit sogenannten Wave-Tech-Textilien überzogen. Sie bestehen laut Hersteller zu hohen Anteilen aus recycelten und zu 100 Prozent aus veganen Materialien. Dadurch möchte der Hersteller neue ethische und ökologische Standards setzen. Nicht zuletzt durch die gold-gelben Gurte wirkt das Elektroauto auch von innen luxuriös und extravagant.

Die Bedienung des Android-Systems funktioniert sehr intuitiv. © Felix Strohbach

Navigation per Sprachbefehl

„Ok, Google.“ eine kurze Tonfolge ertönt. „Navigiere mich nach Sölden.“ „Sölden im Ötztal wurde als Zielort hinzugefügt.“ Abgesehen von der sehr limitierten Auswahl an Apps ist der Polestar 2 wie ein Smartphone auf Rädern. Das System basiert auf Android und kann mit dem persönlichen Google-Konto verknüpft werden. Genauso funktioniert das auch mit Spotify. Dadurch können wir per Sprachbefehl zwischen Songs und persönlichen Playlists wechseln, ohne den Touchscreen in der Mitte zu berühren. Hin und wieder lassen wir uns von Google auch einen flachen Witz erzählen oder ein Ständchen singen. Mein Blick bleibt dabei immer auf der Straße.

Das Lenkrad des Polestar 2
Ein aufgeräumter Innenraum ohne viel Schnickschnack. © Felix Strohbach

Mit voller Kraft auf die Autobahn

Knapp 100 Kilometer liegen vor uns. Zuerst gleiten wir leise aus Innsbruck heraus und am Zirler Berg vorbei. Anschließend geht es auf die Autobahn A12 Richtung Bregenz. Als ich das Fahrpedal zum ersten Mal durchtrete, verfliegt jegliche Gemütlichkeit. Wir werden in den Sitz gedrückt und nach einem Lidschlag überschreiten wir die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h. Mein Herz klopft und die Farbe kommt nur langsam zurück in meine Gesichtszüge. In atemberaubenden 4,7 Sekunden sprintet der Tesla-Konkurrent von 0 auf 100 km/h. Abgeriegelt ist er erst bei 210 km/h. (Auch interessant: Fahrspaß mit 25 km/h)

Der Polestar 2 aus der Vogelperspektive.
Optisch ähnelt der Polestar 2 leistungsstarken Verbrennern wie dem BMW M3. © Felix Strohbach

Schneller als alle Verbrenner

Elektroautos dürfen auf großen Teilen der österreichischen Autobahnen schneller fahren als Verbrenner. Sobald unter der Geschwindigkeitsbeschränkung die Buchstaben IG-L zu sehen sind, dürfen elektrische Fahrzeuge trotzdem 130 km/h fahren. Die Abkürzung IG-L steht für Immissionsschutzgesetz-Luft, dieses Gesetz soll den Schadstoffausstoß auf den Autobahnen reduzieren. Nachdem elektrische Fahrzeuge keinen lokalen Schadstoffausstoß haben, sind sie davon ausgenommen. Abgesehen davon sind 210 km/h auf österreichischen Autobahnen auch mit einem Elektroauto weder erlaubt noch für uns notwendig. Denn bereits nach 40 Kilometern kommt unsere Ausfahrt. 

Der Polestar 2 von seiner schönsten Seite: von hinten. © Felix Strohbach

Hoch ins Ötztal

Vorbei an Dörfern mit hohen Kirchtürmen schlängelt sich die Landstraße ins Tal hinein. Je weiter wir fahren, desto kühler wird es. Als wir Längenfeld erreichen, verunsichert uns folgendes Straßenschild: Ausreise nur mit negativem Corona-Test. Vor und hinter uns sind keine Fahrzeuge. Mit geschlossenen Fenstern rollen wir am Kontrollposten vorbei. Entweder haben sie unser leises Auto nicht gehört, oder sie kontrollieren hier nur stichprobenartig. Jedenfalls haben wir Glück. Wir erreichen Sölden ohne Verzögerungen. Der Ort wirkt verlassen. Nachdem wir noch nie hier waren, überrascht uns die Dichte an Table Dance Bars. Bis auf einen Bäcker ist alles geschlossen. Also fahren wir weiter. (Auch interessant: Mit dem Elektroauto ins Skigebiet)

Auf über 1.400 Metern liegen auch im Mai noch Schneereste. © Felix Strohbach

Schneereste und James Bond

Kurz vor Obergurgl finden wir einen leeren Parkplatz im Wald. Die Laubbäume sind kahl und im Schatten der Nadelbäume liegen noch Schneereste. Es geht ein starker Wind, deshalb essen wir unser Picknick im Auto. Anschließend fahren wir die beheizten Sitze so weit zurück, dass wir entspannt in den Himmel schauen können. Die Wolken ziehen vorbei und aus den 13 Lautsprechern des Harman Kardon Soundsystems klingt der Soundtrack des letzten James Bond Films. Zum Teil wurde Spectre hier rund um Sölden gedreht. Das hat unsere Musikwahl beeinflusst.

goldene Bremssättel am Vorderreifen des Polestar 2
Die goldenen Bremssättel kommen dank der Rekuperation kaum zum Einsatz. © Felix Strohbach

Rückweg mit Eispause

Dank Spurhalteassistent, Abstandshalter und Tempomat bleibt trotz kurviger Straßen Zeit, die Landschaft zu bestaunen. Mit dem Pilot Assist lenkt das Fahrzeug selbstständig. Dabei muss eine Hand weiterhin am Lenkrad bleiben oder es ertönt nach kurzer Zeit ein Warnsignal. Im Zweifel bremst das Fahrzeug selbstständig und mit durchgängigem Warnsignal bis zum Stillstand ab. So weit kommt es zum Glück nicht.

Auch bergab brauche ich nur ein Pedal. Denn der Polestar 2 liegt in engen Kurven stabil auf der Straße und die Rekuperation drosselt die Geschwindigkeit ausreichend. Bis wir am Ortsschild von Ötz vorbeifahren, verlieren wir kaum einen Prozent des Akkus. Die goldenen Bremsen kommen erst zum Einsatz, als ich vor der örtlichen Eismanufaktur parke. Genauso wenig wie einen veganen Innenraum bei einem Sportwagen haben wir vegane Eissorten im Ötztal erwartet. Wieder werden wir positiv überrascht.

Polestar 2 neben Tesla Model 3
An der Ladesäule: Der Polestar 2 wirkt deutlich massiver als ein Tesla Model 3. © Felix Strohbach

Fazit: Tesla-Konkurrent mit bösem Blick

Zurück in Innsbruck hat der Akku noch 38 Prozent. Die breiten Reifen und die massive Optik überzeugen auch Verbrenner-Fans, machen den Polestar 2 aber nicht gerade zum effizientesten Elektroauto. Einen Eco-Modus gibt es nicht. Trotzdem ist die Reichweite dank des großen 78-kWh-Akkus mehr als komfortabel. In 40 Minuten kann der leere Akku mit maximal 150 Kilowatt auf 80 Prozent geladen werden. Das ist ordentlich, aber auch hier schneidet ein Tesla Model 3 besser ab. Preislich starten beide Einstiegsmodelle bei knapp über 40.000 Euro. Allerdings dann ohne Allradantrieb und beim Polestar 2 auch ohne Panoramaglasdach.

Unter dem Strich beweist der Polestar 2, dass er Verbrennern derselben Preisklasse in nichts nachsteht. Auch optisch wirkt der Tesla-Konkurrent mit seinem bösen Blick ähnlich aggressiv wie die meisten Verbrenner. Der elektrische Mini wirkt deutlich freundlicher (Mehr dazu: Mini Cooper SE: Kein Auto für die Stadt). Am liebsten habe ich den Polestar 2 deshalb von hinten fotografiert. Denn das Rücklicht erinnert mich an die Dodge Charger aus dem Computerspiel Need for Speed oder das fliegende Auto im Film Blade Runner 2049.

Der Polestar 2 von hinten bei Nacht
Das durchgängige Rücklicht gefällt mir besser, als die bösen Scheinwerfer. © Felix Strohbach

Weitere Fakten & Zahlen:
Der Tesla-Konkurrent Polestar 2 kostet mindestens 41.930 Euro (-9.000 Euro Förderung in Deutschland/ -5.000 Euro Förderung in Österreich). Hoffentlich wird es ihn auch bald im Carsharing geben. Die Reichweite liegt bei maximal 470 Kilometern. Das gezeigte Fahrzeug hat eine umfangreiche Sonderausstattung inklusive Performance-Paket und kostet mehr als 60.000 Euro.

Disclaimer: Der Polestar 2 wurde mir für eine Woche als Pressefahrzeug zur Verfügung gestellt. Der Hersteller hatte keinen Einfluss auf diesen Beitrag. Alle Fotos sind selbstgemacht.

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